Eine Schüler-Delegation befragte Politiker im Parlament zu Schulautonomie und Finanzierung


Als die Frage kam, ob wir statt dem Hauptunterricht ins Parlament fahren wollten, waren wir natürlich sofort dabei. Unser Ziel war es, der Bildungsministerin fünf Fragen zur Schulautonomie zu stellen.
Nachdem uns Herr Sperl (Geschäftsführer der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer) etwas mit der Thematik vertraut gemacht hatte und wir die Fragen in unsere eigenen Worte gefasst hatten, ging es am Mittwoch den 15. März los ins Parlament. Mein/Unser erster Eindruck war, dass schon die Pförtner ziemlich unfreundlich und kompliziert waren.
Endlich drinnen im Parlament kamen wir als erstes zu den Neos, wo Mathias Strolz mit seiner freundlichen Art die Pförtner wieder „ausglich“. Erst bekamen wir alle etwas zu trinken und dann konnten wir unsere Fragen stellen. Das Resultat des Interviews war: Wenn Herr Strolz Bildungsminister wäre, müssten sich die freien Schulen wohl nicht mehr länger beklagen.
Ziemlich plötzlich mussten wir dann weiter, um unsere Fragen auch noch an Herr Walser (Bildungssprecher der Grünen) zu stellen. Auch dieser war unserem Anliegen sehr wohlwollend gestimmt.
Die Ministerin hatte dann persönlich zwar doch keine Zeit, alles in allem war der Ausflug ins Parlament aber sehr interessant und lustig. Es war eigenartig und ungewohnt, all das, was man sonst nur aus den Nachrichten kennt, „live“ zu sehen.

Paul Böhm


Hier nun die Antworten der Politikerinnen und Politiker. Jene, die von den Schülern nicht direkt befragt werden konnten – wie Bildungsministerin Sonja Hammerschmid – schickten ihre Antworten per Mail. Seitens der ÖVP erhielten wir bis Redaktionsschluss keine Antworten.

 

Frage 01:
Finden Sie es fair, dass unsere Schule mit Öffentlichkeitsrecht – im Gegensatz zu anderen Privatschulen – staatlichen Schulen (finanziell) nicht gleichgestellt und dadurch benachteiligt ist?

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ:
Das Bildungsministerium unterstützt Privatschulen finanziell. In den vergangenen Jahren wurden die Fördergelder sogar erhöht, sodass nun zum wiederholten Male die Summe von 4,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung steht.
Elisabeth Grossmann, SPÖ:
Nein. Die Privilegierung der konfessionellen Privatschulen in Form der Übernahme der Personalkosten geht auf den vor vielen Jahrzehnten abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag mit dem Vatikan, sogenanntes Konkordat zurück. Dieses kann selbst eine absolute Parlamentsmehrheit nicht aufheben.
Walter Rosenkranz, FPÖ:
Die Gleichstellung der Schulen in freier Trägerschaft mit konfessionellen Privatschulen ist ein absolutes Anliegen!
Harald Walser, Die Grünen:
Wir haben schon seit Jahren auf diese Missstände hingewiesen und mehre Anträge eingebracht, wir wollen, dass prinzipiell nicht konfessionelle mit konfessionellen Privatschulen gleichgestellt werden.
Matthias Strolz, NEOS: Nein, das ist aus meiner Sicht absolut diskriminierend und nicht zu argumentieren. Wir vernichten dadurch täglich beherztes Engagement im Bildungsbereich.

 

Frage 02:
Prof. Ludgar Wößmann ist der Meinung, dass auch das Niveau von staatlichen Schulen steigen würde, wenn es mehr Privatschulen gäbe. Was meinen Sie dazu?

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ:
Das österreichische Schulsystem wird durch die Privatschulen positiv ergänzt. Das Bildungsministerium versucht den Privatschulen deshalb sowohl auf politischer, als auch auf schulischer Ebene Anerkennung auszudrücken.
Elisabeth Grossmann, SPÖ:
Diese Meinung teile ich nicht, weil es die Zusammensetzung der SchülerInnenpopulation in den Privatschulen einerseits und den öffentlichen Schulen andererseits noch mehr homogenisieren würde. Bildungsinteressierte Eltern (das müssen keine Wohlhabenden sein) neigen stärker dazu, Kinder in Privatschulen zu schicken. Kinder, deren Eltern nicht so bildungsaffin sind, würden ausschließlich in öffentlichen Schulen sein. Für gute Ergebnisse braucht man eine gute Durchmischung, um voneinander lernen zu können. Auch noch so gute LehrerInnen hätten es in öffentlichen Schulen mit vielen Kindern aus wenig bildungsaffinen Familien ungleich schwerer, zu höheren Leistungen zu motivieren, wenn die Eltern nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, die Kinder zu fördern. Damit meine ich nicht die Förderung durch Nachhilfe, Lernhilfe etc. sondern vielmehr die positive Einstellung zu Bildung und Leistung an sich.
Walter Rosenkranz, FPÖ:
Das kann sein, muss nicht sein. Da sich die Privatschule die Schüler selbst aussuchen kann, werden in der Regel bessere Leistungen erbracht. Es kann aber nicht so sein, dass das öffentliche Schulwesen das "Restschulwesen" ausmacht, das alle Abgewiesenen aufnehmen muss.
Harald Walser, Die Grünen:
Das geht in Richtung Schulautonomie, so wie wir das eigentlich wollen. Wir sind der Überzeugung, dass alles was im großen Bereich der Pädagogik angesiedelt ist, vor Ort besser bewerkstelligt werden kann. Wir sind der Meinung, dass wir für Zielsetzungen nicht unbedingt direktiven vom Unterrichtsministerium brauchen, sondern von den Landesschulräten. Pädagogik sollte in der Autonomie der Schulen sein.
Matthias Strolz, NEOS:
Sehe ich genauso. Ich bin der Ansicht, dass freie Schulen ein Innovationsmotor für das öffentliche Schulwesen sein könnten. Es ist sehr schmerzlich, dass das seitens der Regierung nicht erkannt und forciert wird.

 

Frage 03:
Was hielten Sie von der Idee, dass der Staat die Qualitäts- und Lernziele für Schulen vorgibt, die Schulen diese aber eigenständig erarbeiten dürfen?

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ:
Genau das haben wir mit dem Autonomiepaket großteils geplant. Mit dem Autonomiepaket wollen wir den Schulen große Gestaltungsspielräume geben. Das Bildungsministerium gibt Rahmenbedingungen wie z.B. Lehrpläne vor. Die Schulen können aber dann individuelle Schwerpunkte setzen, die Klassen- und Gruppengrößen selbst bestimmen, die Beginnzeiten sowie die Länge der Unterrichtseinheiten und vieles mehr.
Elisabeth Grossmann, SPÖ:
Schulautonomie in personeller Hinsicht bedeutet: Die Schul-/ Clusterleitung kann sich das Personal stärker aussuchen, Fortbildungen anordnen, Diensteinteilungen vornehmen, usw.
In organisatorischer Hinsicht: Schulforum kann Beginn und Schulschlusszeiten festlegen, Schulautonomie Schwerpunkte, Fächerbündel, Wahlpflichtfächer, ganztägige Schulformen, weitgehende Methodenfreiheit in der Erreichung der pädagogischen und didaktischen Ziele.
Walter Rosenkranz, FPÖ:
Schulautonomie bedeutet für, dass die Schule mit dem Schulpartner in einem bestimmt vorgegebenen Rahmen Entscheidungen treffen kann, die für den konkreten Standort wichtig und richtig sind (Profilbildung, spezielle Angebote, Schwerpunkte). Dafür müssen finanzielle Mittel vorgegeben werden, mit denen frei budgetiert werden darf.
Harald Walser, Die Grünen:
Schulautonomie bedeutet, dass die Schulpartner Schüler, Lehrer gemeinsam entscheiden wie sie und was sie unterrichten. Dass es schlussendlich nur darum geht, das gewährleistet ist, dass die Basics also die Kompetenzen erreicht werden.
Matthias Strolz, NEOS:
Ich unterstütze diesen Gedanken. Wir stehen für die Einführung der „Mittleren Reife“, sie ist das gemeinsame Ziel. Die Wege dorthin sollen so vielfältig sein, wie die Talente der Kinder. Aufgabe der Politik ist es in diesem Zusammenhang, den Handlungsrahmen abzustecken sowie die Qualitätsziele vorzugeben.

 

Frage 04:
Was bedeutet für Sie Schulautonomie?

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ:
Alle Kinder haben unterschiedliche Stärken, Talente und Bedürfnisse. Wir glauben, dass die einzelnen Schulstandorte am besten wissen, was sie vor Ort brauchen, um ihre SchülerInnen optimal zu fördern. Schulautonomie bedeutet mehr Freiheit in der Unterrichtsgestaltung.
Elisabeth Grossmann, SPÖ:
sehr viel; soll mit Schulautonomie stärker ermöglicht werden.
Walter Rosenkranz, FPÖ:
Das geschieht ja derzeit schon. Rahmenlehrpläne können schon jetzt sehr viel Spielraum lassen. Es ist jedenfalls der beste Weg.
Harald Walser, Die Grünen:
Das ist etwas worauf ich schon lange hinweise. Ich habe immer gesagt, dass Privatschulen derzeit sowas wie das Salz in der pädagogischen Suppe sind. Von Privatschulen sind sehr viele Informationen ausgegangen. Waldorfpädagogik; Montessori-Pädagogik sind etwas was über Privatschulen ins Regelschulwesen eingelaufen ist. Ist der große Wert von nichtkonfessionellen Privatschulen.
Matthias Strolz, NEOS:
Wenn wir Schulautonomie richtig organisieren, stärkt sie besonders auch die schöpferische Zusammenarbeit im Schulsystem, selbst zwischen den Schulen. Lehren und Lernen ist Beziehungsarbeit. Diese Beziehungen brauchen Freiheit und Verantwortung in dreierlei Hinsicht:

1. Die pädagogische Autonomie gewährt den Schulen – im Rahmen klar formulierter Qualitätsvorgaben– Freiheit in pädagogischen und didaktischen Entscheidungen. Die Mittlere Reife definiert, was Jugendliche mit 15 können sollen. Die Wege dorthin sollen so vielfältig sein wie die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Ob eine Schule die 50-Minuten-Stunde abschafft oder nicht ist ihre Sache; ob sie Mehrstufenmodelle fährt oder einen Montessori-Schwerpunkt ebenso. Die Schulverwaltung wird in ein Schulservice weiterentwickelt, das – in Bildungsregionen organisiert – die Schulen bei der Qualitätsentwicklung unterstützt.

2. Die personelle Autonomie legt die Auswahl und Führung des Personals in die Verantwortung der Schulleitung. Das Lehrerdienstrecht wird durch einen Rahmen-Kollektivvertrag ersetzt und die Anstellung erfolgt an der Schule bzw. bei den Trägerorganisationen.

3. Echte finanzielle Autonomie bringt die „freie Schulwahl ohne Schulgeld“. Privatschulen erhalten die gleiche Finanzierung wie öffentliche Schulen. Sie müssen sich dafür auf Gemeinnützigkeit verpflichten und dürfen kein zusätzliches Schulgeld verlangen. Die Umsetzung erfolgt über eine Pro-Kopf-Finanzierung. Mit einer kriterienbezogenen Standortfinanzierung können wir zudem das Ziel der guten sozialen Durchmischung hebeln. Wer mehr Kinder von Eltern mit niederen Bildungsabschlüssen an seiner Schule hat, braucht mehr Ressourcen. In den Niederlanden funktioniert das sehr gut.

Autonomie ist dabei nie Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Aufgabe der Politik ist es in diesem Zusammenhang, den Handlungsrahmen abzustecken sowie die Qualitätsziele vorzugeben. Das Detailkonzepte zu umfassender pädagogischer, personeller und finanzieller Autonomie haben wir im Rahmen der überparteilichen Initiative „Talente blühen!“ in dem Buch „Die mündige Schule. Buntbuch Schulautonomie“ auf den Tisch gelegt.

 

Frage 05:
Die finanzielle Gleichstellung würde laut Schätzungen von Ministerin Hammerschmid rund 20 Mio. Euro kosten. Glauben Sie nicht, dass diese 20 Mio. Euro gut investiert wären?

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ:
Mittlerweile unterliegt der Österreichische Bundeshaushalt massiven Einsparungsvorgaben. Es müssen nach wie vor strikte Budgetvorgaben eingehalten werden. Trotz dieser engen Vorgaben, wird die genannte Fördersumme für die Schulen in freier Trägerschaft ohne Kürzungen zur Verfügung stehen.
Elisabeth Grossmann, SPÖ:
Jeder €, der in Bildung fließt, ist gut investiert! Sollte der Finanzminister zusätzliche Mittel auslassen, würde ich diese nach einem Chancenindex (Bildungshintergrund der Eltern, andere Erstsprache als Deutsch, besondere Bedürfnisse) über alle Schulen unabhängig von der Trägerschaft verteilen.
Die Mittel für ganztägige Schulformen, die Bundeskanzler Kern aus einer Einmalzahlung der Banken herausgeholt hat, sowie die Mittel für Integration können selbstverständlich auch von Privatschulen abgeholt werden.
Walter Rosenkranz, FPÖ:
Diese 20 Millionen wären gut angelegt. Die Privatschule ist pro Kopf jedenfalls billiger.
Harald Walser, Die Grünen: Keine Frage; unnötige Trennung.
Matthias Strolz, NEOS:
Ja, sehr gut investiertes Geld. Wir fordern seit Jahren, die Freien Schulen finanziell gleichzustellen. Hier könnten wir mit relativ wenig Geld große Wirkung im Schulbereich erzielen.

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