Naturwissenschaftlicher Unterricht

Der naturwissenschaftliche Unterricht versteht sich als ein Dialog mit der Natur oder, um es anders auszudrücken, als ein Zwiegespräch des Menschen mit der Natur. Damit ist gesagt, dass die Natur, deren Gesetze es zu erforschen gilt, in einem partnerschaftlichen Verhältnis zum Menschen gesehen wird.

Den Ausgangspunkt jedes Unterrichtes bildet das Phänomen, da sich nur durch dieses die Natur mitteilen kann. Während die Natur durch das Phänomen spricht, lauschen die Schüler mit allen ihren Sinnen, sodass sich noch vor jeder Betätigung der Ratio Affekte, Gefühle und Fragen bilden können. Emotionen und Neugierde sind die größten Lernverstärker, wie von Gehirnneurologen bestätigt wird. Anders formuliert: sie sind so wichtig, weil sie am nachhaltigsten eine Beziehung zum Gegenüber, hier der Natur, stiften können. Zwischen der Wahrnehmung des Phänomens und dessen gedanklicher Durchdringung wird ein zeitlicher Abstand eingeschoben, damit sich die Eindrücke klären können, Fragen nachreifen, Antworten vorreifen können. Die Antworten schließlich werden nicht vom Lehrer gegeben, sondern in einem nachvollziehbaren Prozess gemeinsam mit den Schülern oder im Idealfall von diesen selbst entwickelt. Die Abstraktionen, die damit einhergehen, vermeiden nach Möglichkeit den Rückgriff auf Modelle, um einer Überfremdung des Phänomens durch die Konstruktionen des menschlichen Verstandes entgegenzutreten. Werden dennoch Modelle hinzugezogen (in den höheren Klassen), geschieht dieses nicht unterschwellig, sondern bewusst und unter Thematisierung der Chancen, aber auch der Gefahren, die darin liegen.

Wissenschaft ist dadurch definiert, dass auf die Wirklichkeit mit einer spezifischen Methode geblickt wird. Wie Wissenschaft die Wirklichkeit beschreibt, hängt daher von der gewählten Methode ab. Jede Erkenntnis erscheint somit als Funktion einer bestimmten Technik , was immer auch eine bestimmte Art des Fragens impliziert.

Die oben beschriebene Methode, auf die Wirklichkeit zu blicken, ist eine phänomenologische. Ergänzt um didaktische Aspekte heißt das:

  • Erst nachdem eine Beziehung zum angeschauten Phänomen aufgebaut wurde, beginnt die kognitive Auseinandersetzung.
  • Erst wenn erlebt wird, wie Wahrnehmung, Begriff und schließlich Gesetz zusammenhängen, ist ein substantielles Verstehen möglich.
  • Je jünger die Schüler sind, umso ausdrücklicher orientiert sich der Erkenntnisprozess am Phänomen, nicht am Modell. Dadurch bildet sich ein direkter Wechselbezug zwischen Mensch und Natur, der im Weiteren vielleicht leichter die Möglichkeit für einen verantwortungsvollen Umgang des Menschen mit der Natur offenhält.

Der Pädagoge Hartmut v. Hentig schreibt: „Die Wissenschaften, die Naturwissenschaften zumal, nehmen in unserer Welt eine Schlüsselfunktion ein. Die Wissenschaften haben die Welt chiffriert; ohne Kenntnis der Chiffren verstehen wir die Vorgänge nicht.“ In der 12. Klasse, der Abschlussklasse, wird anhand des Unterrichtsstoffes auch die Entwicklung wissenschaftlichen Erkennens zum Gegenstand der Reflexion gemacht. In einem Prozess des Nachdenkens über Wissenschaft formt sich, „anders als in der wissenschaftlichen Forschung selbst, ein philosophisches und also freies Verhältnis zu ihr.“


 

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