Unser Schulneubau

Der Architekturaktivist und ehemalige Waldorfschüler Lothar Trierenberg hat mit Architekten Much Untertrifaller einen Schulcampus realisiert, der mit Holz, Beton und Lehm eine Wohlfühlatmosphäre und ein haptisches Erleben der Räume schafft. Warum diese Qualität für Schulen grundsätzlich wichtig wäre, und was das Ganze mit Waldorfpädagogik zu tun hat, erzählt er hier im Interview. 

Wir wollten ein Gebäude, das zum Lernen anregt. 

Interview: Christina Aumayr-Hajek

Innerstädtisch im Siedlungsgebiet bei vollem Ensembleschutz zu bauen, gilt gemeinhin als aberwitziges Vorhaben. Wieso hat sich die Waldorfschule Wien-Mauer dennoch dazu entschlossen?

Lothar Trierenberg: Wir hatten keinen Sportsaal und mussten mit allen Klassen im Festsaal turnen. Der ist zwar sehr schön, aber für Sport viel zu klein und auch eine logistische Herausforderung, weil in diesem Festsaal ständig musiziert und für Theateraufführungen geprobt wird. Unsere Schulküche und der Hort für die Nachmittagsbetreuung platzten bereits aus allen Nähten. Wir waren und sind die einzige bio-zertifizierte Schulküche Österreichs – aber leider mit beengten Platzverhältnissen, das ging nicht. Klar war, wir brauchen einen Sportsaal, eine Schulküche mit Speisesaal und größere Horträume mit Verbindung zum Garten. Unsere Schule ist seit 50 Jahren im Maurer Schlössel untergebracht, an diesem Standort konnten wir nicht erweitern. Gegenüber auf der Endresstraße 113 war unsere Volksschule mit einem parkartigen Garten, hier gab es Erweiterungspotential und das haben wir genutzt. Zu Schulbeginn wurde das neue Haus jetzt nach zehn Jahren Planungen, Einreichungen, Einsprüchen, Widmungsänderungen – Geduld und Beharrlichkeit – eröffnet. Das Ergebnis macht uns glücklich, weil wir architektonische Qualität mit Nachhaltigkeit verbinden konnten.

Sie haben als Schüler selbst die Waldorfschule Wien-Mauer absolviert, sind ein Architektur-, Musik- und Kunstkenner und engagierter Architekturaktivist, aktuell bei der Sanierung der Villa Beer in Wien Hietzing. Wie geht man bei hohen Ansprüchen an so einen Schulneubau heran? 

Lothar Trierenberg: Wir haben uns als Schulgemeinschaft für einen geladenen Wettbewerb entschieden, weil ein Wettbewerb mit kompetenter Jury zu den besten Ergebnissen führt. In unserem Fall ging das Architekturbüro Dietrich | Untertrifaller gemeinsam mit Andi Breuss als Sieger hervor. 

Welche Anforderungen machten den Neubau sportlich und herausfordernd?

Lothar Trierenberg: Der Ensembleschutz und die zulässige Bauhöhe setzten uns natürliche Grenzen. Hinzu kam aber vor allem der Anspruch unserer Schulgemeinschaft an eine gelunge Architektur bei ökologischer und nachhaltiger Bauweise. Die Aufgabenstellung war ein Haus, das eine Verbindung zwischen Innen und Außen schafft, ein fließendes Raum- und Bewegungskonzept, in dem sich alle Wege im Gebäude logisch miteinander verbinden. Raumenergie entsteht durch die Zirkulation der zurückgelegten Wege. Waldorfpädagogik bedeutet Lernen mit allen Sinnen – wir wollten ein Gebäude, das zum Lernen anregt.

Mit welchen planerischen Highlights konnte sich der Vorarlberger Architekt Much Untertrifaller durchsetzen?

Lothar Trierenberg: Sein Entwurf war der einzige, bei dem die Sporthalle nicht im Erdreich verschwand, und der unsere Vorstellungen von einem fließenden Raumkonzept am besten verstand. Der Sportsaal ist nur zur Hälfte im Keller, der obere Teil hat große Panoramafenster, dadurch ist die Sporthalle von zwei Seiten belichtet und einsichtig. Zusätzlich ergibt sich eine optische Verbindung in den Garten und auch zwischen den beiden Gartenteilen. Überzeugt hat uns auch seine Idee, einen Holzbau mit Lehm zu verbinden – das hat unserem Wunsch nach einem lebendigen Haus absolut entsprochen und schafft ein herausragendes Raumklima.

Wenn man über die Laubengänge die Klassen betritt oder in eurem Turnsaal steht, wäre man selbst gerne wieder Kind, das zur Schule geht.

Lothar Trierenberg: Dann ist vieles geglückt. Wir erzeugen mit den Materialien eine Wohlfühlatmosphäre und sorgen für ein haptisches Erleben der Räume. Das ist eine Qualität, die für Schulen grundsätzlich wichtig wäre, um mit Freude zu lernen. Man hat das Gefühl, in einem Park zu sein, in den der Campus gebeamt wurde, ohne die Umgebung zu stören. Lothar Trierenberg: Wir wollten diesen parkähnlichen Garten mit dem alten Baumbestand unbedingt erhalten. Das Draußensein in der Natur und die Bewegung in der Nachmittagsbetreuung sind für uns ganz zentral. Neben der Atmosphäre des alten Parks haben auch die verlegten Pflastersteine einen Nachhaltigkeitsaspekt: Es sind alte „Wiener Würfel“, die schon in den 80er Jahren hier von Eltern verlegt wurden und die Schulgeschichte geprägt haben. Während des Baus wurden sie zwischengelagert und jetzt wieder neu verlegt.

1919 gründete Rudolf Steiner die erste Schule für die Kinder der Mitarbeiter der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria in Stuttgart. Daher rührt auch der Name Waldorfschule. Das Goetheanum in der Schweizer Gemeinde Dornach gilt als Zentrum der Waldorfpädagogik. Hinter der geschwungenen Stahlbetonfassade liegen große Räume, erbaut fast ohne rechten Winkel, eine ganz eigene Architektursprache – finden sich hier Elemente dieser Bauweise wieder?

Lothar Trierenberg: Nein – bewegte Konzepte müssen immer zeitgemäß sein und dürfen keinem Dogma folgen. Wir haben oft mit den Architekten über typische Stilmittel dieser „Waldorf-Bauweise“ gescherzt, aber wir wollten hier keine „typische“ Steiner Schule errichten, sondern eine nachhaltige, ästhetisch anspruchsvolle Architektur schaffen. Wir haben mit einem ökologischen Anspruch aber zweifellos Leitmotive der Waldorfpädagogik aufgegriffen und sie mit einer modernen Ästhetik und Funktionalität verknüpft. Unsere Architektur ist sehr klar und gradlinig – die Bewegung und Lebendigkeit kommen dann durch die Kinder und Jugendlichen!

Der Schulneubau ist in Holzbauweise errichtet, aber es ist kein reiner Holzbau. 

Lothar Trierenberg: Das Konzept von Much Untertrifaller und Andi Breuss war für uns auch deshalb so überzeugend, weil wir mit der Verbindung von Holz, Beton und Lehm zu einem sehr stimmigen, eindrucksvollen Ganzen kommen. Keller und Treppenhaus sind aus Beton, der gesamte restliche Neubau wurde in Holzbauweise errichtet und die Wände mit Lehm verputzt. Lehm ist ein hochökologisches Baumaterial, das zu einem sehr guten Raumklima beiträgt. Andi Breuss, der Lehmbau-Experte im Team, hat sich auch dafür eingesetzt, dass wir den Lehm aus unserer Baugrube verwenden. Wir sind damit der erste öffentliche Bau, bei dem Lehm aus dem eigenen Aushub zum Einsatz kommt. Wir haben hier Neuland betreten und hoffen, dass dieses Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen Schule macht. Lernen braucht ein Raumklima, das den Geist beflügelt. In unserer Gesellschaft ist leider die Norm, dass man Kinder in Schuhkartons aus Beton und Kunststoff setzt und sich dann wundert, dass die Kinder nicht gerne in die Schule gehen. 

Wie waren die Reaktionen der Kinder und Jugendlichen auf den Neubau? 

Lothar Trierenberg: Sie sind begeistert. Wir haben 120 Kinder in der ersten bis vierten Schulstufe. Durch die Sporthalle und die Kantine kommen aber in Zukunft alle rund 300 Schülerinnen und Schüler laufend hierher. Sie haben das Haus sofort in Beschlag genommen, als wäre es immer schon da gewesen. Die Architekten haben gesagt, dass sie uns einen Handschuh bauen, in den die Hand reinpassen muss, und das ist gelungen. 

Der Platz vor der Kantine wirkt wie eine Begegnungszone … 

Lothar Trierenberg: Genau. In Zukunft sollen auch Eltern und Menschen aus dem Bezirk zu uns zum Essen kommen können, oder auf einen Kaffee. Wenn die Sporthalle vermietet wird, können andere Sportgruppen auch noch etwas trinken und verweilen. Es wird sicher mehr als „nur“ eine Schulkantine, aber das wird noch ein wenig Zeit brauchen.

Information:

Standort: Endresstraße 113, 1230 Wien 
Bauherrin: Rudolf Steiner – Schulverein Wien-Mauer 
Architektur: Dietrich / Untertrifaller und Andi Breuss
Tragwerksplanung Holzbau: KPZT – Kurt Pock
Tragwerksplanung Massivbau: Gschwandtl & Lindlbauer
Fläche: 3.125 m²
Generalunternehmer: Handler Bau 
Baubeginn: Oktober 2022
Fertigstellung: April 2024
Raumprogramm: 4 Klassen, Sportsaal, Bewegungsraum, Werkräume, Kindergarten, Hort, Schulrestaurant
Landschaftsarchitektur: Carla Lo

Schulgarten und Neubau Endresstraße 113